Materielle Objekte wie Elektronen, Protonen, Neutronen, Atome und Moleküle zeigen Interferenzeffekte: Unter bestimmten Umständen zeigen diese Objekte, die üblich als Teilchen angesprochen werden, Welleneigenschaften. Entsprechend gilt für Wellen wie z.B. elektromagnetische Strahlung, dass sie unter bestimmten Umständen Teilcheneigenschaften zeigen, die mit dem Konzept der Photonen beschrieben werden.
Nun sind Welle und Teilchen sich gegenseitig ausschließende Begriffe. Objekte wie Elektronen oder Photonen sind nicht gleichzeitig Teilchen und Welle. Sie sind etwas anderes, das mit klassisch-anschaulichen Begriffen nicht beschrieben werden kann. Sie werden daher als Quantenobjekte bezeichnet.
Die
mathematische
Beschreibung
von Quantenobjekten erfolgt mit
Wellenfunktionen
.
Ihre Amplitude ist eine Wahrscheinlichkeitsamplitude. Das
Betragsquadrat gibt die Wahrscheinlichkeitsdichte dafür an, ein
Quantenobjekt aus einer einheitlich präparierten Gesamtheit am
jeweiligen Ort zu registrieren
(Aufenthaltswahrscheinlichkeitsdichte):

Die Differentialgleichung einer eindimensionalen Welle

hat harmonische Wellen alsLösungen:

Übliche Abkürzungen sind:
:
Wellenzahl
:
Kreisfrequenz
:
Phase
Die Phasengeschwindigkeit ist

Anstelle der reellen harmonischen Wellenfunktion y (x,t) wird oft die komplexwertige Wellenfunktion

verwendet.
Dies
stellt
in der komplexen Zahlenebene einen Zeiger dar, der mit
rotiert:

Für
ein
Teilchen
mit Impuls p und Energie W ergeben sich
Wellenzahl k und Kreisfrequenz
unter Verwendung der de Broglie-Beziehungen:


Damit kann eine ebene Welle gebildet werden:

Diese ebene Welle ist räumlich und zeitlich unendlich ausgedehnt, und ihr Betragsquadrat ergibt:

Das bedeutet: Beschreibt man ein Teilchen mit der Wellenfunktion einer ebenen Welle, dann ist das Teilchen zu jedem Zeitpunkt an jedem Ort mit gleicher Wahrscheinlichkeit zu registrieren. Das Teilchen ist also nicht lokalisiert.
Zur Beschreibung eines lokalisierten Teilchens reicht eine einzelne harmonische Welle also nicht aus. Dazu müssen mehrere Wellen überlagert werden.
Überlagerung zweier harmonischer Wellen
Ein
Elektron,
dass
sich mit
bewegt, hat den Impuls

und die Energie

Daraus ergeben sich Wellenzahl und Kreisfrequenz für eine harmonische Welle:

Für eine zweite harmonische Welle wird gewählt:

Dieser Impuls führt zu

Aus den beiden Wellen wird die Resultierende gebildet:

Es genügt, den Realteil zu betrachten:

Unter Berücksichtigung von

wird daraus:

Zur Abkürzung werden die Mittelwerte

und die Differenzen

gebildet. Die Resultierende nimmt dann die Form an

Dies
beschreibt
eine
harmonische Welle mit Wellenzahl
und Kreisfrequenz
und einer modulierten Amplitude
.

Die resultierende Welle breitet sich mit der Phasengeschwindigkeit

aus.
Die
Einhüllende
dagegen breitet sich mit der sogenannten Gruppengeschwindigkeit

aus. Es ist festzustellen:

Die Gruppengeschwindigkeit stimmt näherungsweise mit der Teilchengeschwindigkeit überein, die Phasengeschwindigkeit ist nur etwa halb so groß. In der Grafik sind zur Verdeutlichung die Ausbreitung eines Maximums der Einhüllenden (rot) und die Ausbreitung einer Phase der Welle (blau) markiert.
Beobachtung 2:
Die
Entfernung
von
2 Nullstellen der Einhüllenden
wird als Maß für die räumliche Ausdehnung des
Wellenpakets aufgefasst. Für zwei aufeinanderfolgende
Nullstellen gilt:

Zusammengefasst:

Mit
wird daraus

Für einen festen Ort ergibt sich dasselbe Bild wie oben, jedoch für die zeitliche Entwicklung, d.h. es ist x durch t zu ersetzen. Für die zeitliche Ausdehnung des Wellenpaktes ergibt sich

Mit
der
de
Broglie-Beziehung
wird daraus

Kontinuierliche Wellenpakete
Auch
das
aus
zwei harmonischen Wellen zusammengesetzte Wellenpaket ist zur
Beschreibung eines Teilchens noch nicht ausreichend: Außerhalb
der Bereiche
und
geht die Aufenthaltswahrscheinlichkeit nicht gegen Null.
Ein allgemeineres Wellenpaket erhält man aus der Überlagerung mehrerer harmonischer Wellen:

Aber auch mit diesem Ansatz ergibt sich keine Wellenfunktion, die außerhalb eines bestimmten Bereiches überall verschwindet. Dies wird erst erreicht mit einem kontinuierlichen Wellenpaket:

Dabei ist A(k) die Verteilungsfunktion der Wellenzahlen k. Bei einem Gauß-Paket ist diese Verteilungsfunktion gegeben durch

Die
Größe
ist die sogenannte Standardverteilung. Sie ist mit
der
Breite der
Verteilung verknüpft.
Die
sich
für
Gauß-Pakete ergebenden Wellenfunktionen
sind ebenfalls Gauß-Pakete. In den folgenden Abbildungen sind
verschieden breite Verteilungen A(k) und die dazu
gehörigen Anfangsverteilungen
dargestellt.
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Es
ist zu erkennen: Zu einer schmalen Verteilung A(k) der
Wellenzahlen ergibt sich eine breite Anfangsverteilung
.
Ist die Verteilung der Wellenzahlen dagegen breit, ist die
Anfangsverteilung der Wellenfunktion schmal.
Für
eine
kontinuierliche
Verteilung harmonischer Wellen in einem
Wellenpaket
nimmt die Gruppengeschwindigkeit die Form

an. Für ein freies Teilchen gilt

Mit
den
de
Broglie-Beziehungen
und
folgt daraus

Damit lässt sich die Gruppengeschwindigkeit berechnen:

Die Gruppengeschwindigkeit des Wellenpaketes stimmt also mit der Teilchengeschwindigkeit überein. Das war auch zu erwarten, denn vG ist nichts anderes als die Geschwindigkeit, mit der sich die Einhüllende des Pakets ausbreitet und damit auch die Aufenthaltswahrscheinlichkeitsdichte des Teilchens. Die Phasengeschwindigkeit vP der einzelnen Wellen stimmt dagegen nicht mit der Teilchengeschwindigkeit überein:

Dies
hat
zur
Folge, dass ein Wellenpaket mit der Zeit immer breiter wird:
es zerfließt. Dieses Zerfließen ist in den
folgenden Abbildungen für ein Elektron mit der Geschwindigkeit
dargestellt.
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Im
Folgenden soll die Bedeutung der Standardabweichungen
und
untersucht werden. Dazu werden Hilfsmittel aus der Stochastik
benötigt:
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Eine Messreihe aus n Einzelmessungen xi wird durch folgende statistische Größen beschrieben: |
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Mittelwert |
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Varianz |
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Standardabweichung |
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(1)
Nimmt
man
an einer Reihe identischer, d.h. durch dieselbe
Wellenfunktion
eine Ortsmessung vor, dann ist die Verteilung der in der Messung
bestimmten Orte durch die Aufenthaltswahrscheinlichkeitsdichte
gegeben. Für die Messung der Orte eines Teilchens besteht also
eine Unbestimmtheit, die mit der räumlichen Ausdehnung des
Wellenpaketes verknüpft ist. Die räumliche Ausdehnung des
Wellenpakets steht ihrerseits mit der Verteilung A(k)
der Wellenzahlen im Wellenpaket im Zusammenhang.
(2)
Ist
die
räumliche Ausdehnung des Wellenpakets sehr gering, liegt
also ein räumlich schmales Wellenpaket vor, so ergibt sich eine
breite Verteilung der Wellenzahlen. Die zum Aufbau des Wellenpaketes
benötigten Wellenzahlen streuen sehr weit. Da die Wellenzahl k
über
mit dem Impuls zusammenhängt, ergibt sich auch eine entsprechend
hohe Impulsunbestimmtheit. Umgekehrt: Liegt ein räumlich breites
Wellenpaket vor, also eine hohe Unbestimmtheit in der Messung des
Ortes, so ist die Verteilung A(k) schmal und die
Unbestimmtheit in der Messung des Impulses ist gering.
(3) Nach diesen Überlegungen ist es sinnvoll, die Orts- und Impulsunbestimmtheit genauer zu definieren, nämlich als die Standardabweichungen der Verteilungen bei der Messung des Ortes und des Impulses:

Heisenberg
zeigte,
dass
für Gauß-Pakete das Produkt
den Wert 1/2 annimmt, und für jede andere Verteilung
größer
als 1/2 ist:

Da
ist, ist auch
,
und es folgt

Damit ergibt sich die exakte Formulierung der Heisenberg'schen Unbestimmtheitsrelation:

Für
einen
festen
Zeitpunkt t0 hängt die räumliche
Verteilung eines Wellenpaketes
mit der Verteilung A(k) der Wellenzahlen zusammen.
Betrachtet man dagegen einen festen Ort x0, dann
ergibt sich ein gleicher Zusammenhang zwischen der zeitlichen
Verteilung
des Wellenpaketes mit der Verteilung der Kreisfrequenzen
.
Die Kreisfrequenz hängt mit der Energie zusammen:
.
Ein zeitlich schmales Wellenpaket bedingt daher eine breite
Verteilung der Energie, ein zeitlich breites Wellenpaket bedingt eine
schmale Verteilung der Energie. In Analogie zur
Unbestimmtheitsrelation von Ort und Impuls wird deshalb eine Relation
für die Zeit- und Energieumbestimmtheit formuliert:

Diese
Relation
ist
wie folgt zu interpretieren: Wenn
die für eine Energiemessung eines Teilchens zur Verfügung
stehende Zeit ist, dann ist diese mit der als Standardabweichung
definierten Unbestimmtheit der Energie
verknüpft.
Auch
für
Zerfälle
angeregter und instabiler Zustände
besitzt die Zeit-Energie-Unbestimmtheitsrelation eine große
Bedeutung. In diesem Fall entspricht
der mittleren Lebensdauer
des Zustands und
der Unbestimmtheit der bei dem Zerfall frei werdenden Energie. Dies
bedingt auch die natürliche Linienbreite von Spektrallinien
angeregter Atome:

Übungen
1.
Ein
Proton bewege sich mit
.
a) Berechnen Sie Impuls p1, Energie W1, Wellenzahl k1 und Kreisfrequenz w1.
b) Um ein Wellenpaket aus zwei harmonischen Wellen zu bilden, wird eine zweite Welle mit dem Impuls p2 = 1,1 p1 verwendet. Berechen Sie die zugehörigen Werte W2, k2, w2.
c) Ermitteln Sie die Gruppen- und Phasengeschwindigkeit des Wellenpakets.
2. Begründen Sie: Zu einer schmalen Verteilung A(k) der Wellenzahlen ergibt sich eine breite Anfangsverteilung
.
Ist die Verteilung der Wellenzahlen dagegen breit, ist die
Anfangsverteilung der Wellenfunktion schmal.