5. Magnetfeld gerader stromdurchflossener Leiter

Die Form des Magnetfeldes eines langen, geraden, von einem Strom der Stärke I durchflossenen Leiter wurde schon im Abschnitt 1 betrachtet: Es ergeben sich kreisförmige, in sich geschlossene Feldlinien, die konzentrisch um den stromführenden Leiter verlaufen. Den Feldlinien wird eine Richtung zugeordnet, die mit der „Rechte-Hand-Regel“ bestimmt werden kann: Wenn der Daumen in Richtung der technischen Stromrichtung von + nach - zeigt, dann geben die gekrümmten Finger der rechten Hand die Richtung des Magnetfeldes wieder. Soll die reale Elektronenbewegung in metallischen Leitern berücksichtigt werden, so ist die „Linke-Hand-Regel“ zu verwenden: Hier zeigt der Daumen in die Bewegungsrichtung der Elektronen und die gekrümmten Finger der linken Hand geben die Richtung des Magnetfeldes wieder.

5.1 Flussdichte eines geraden Leiters

Es ist zu erwarten, dass die Flussdichte eines geraden, stromdurchflossenen Leiters in einem Feldpunkt mit festem Abstand vom Draht mit der Stromstärke im Leiter zu- oder abnimmt. Ebenso ist zu erwarten, dass bei konstanter Stromstärke die Flussdichte in Feldpunkten, die näher am Leiter liegen, größer ist als in Feldpunkten, die in größerer Entfernung liegen.

Zur Messung der Zusammenhänge wird folgender Aufbau verwendet. Mit einer Hochstromquelle werden starke Ströme erzeugt, die einen vertikal aufgespannten langen, dickeren Kupferdraht durchfließen. Die Flussdichte wird mit einer Hall-Sonde gemessen, die ihren Steuerstrom von einem Hall-Generator bezieht. Die Hall-Spannung wird mit einem Mikrovolt-Verstärker erfasst.

Messung 1:

Der Abstand der Hallsonde zum Leiter wird fest eingestellt:

r = 2 cm.

Die Stromstärke wird verändert und die Flussdichte gemessen.

Ergebnis: Die Flussdichte ist bei konstantem Abstand vom stromführenden Leiter proportional zur Stromstärke.

Messung 2:

Der Strom im Leiter wird auf einen festen Wert eingestellt:

I = 16 A.

Der Abstand des Messpunktes vom Leiter wird verändert und die Flussdichte gemessen.

Ergebnis: Die Flussdichte ist bei konstanter Stromstärke umgekehrt proportional zum radialen Abstand vom stromführenden Leiter.

Die Ergebnisse beider Messungen zusammen führen zu

.

Die Proportionalitätskonstante k ist eine Größe mit Einheit:

.

Aus den Messungen ergibt sich der Wert:

.

Damit ist dann

.

Eine übliche Umformung ist:

Dabei ist

die magnetische Feldkonstante.

5.2 Kräfte zwischen parallelen geraden Leitern

Zwei lange, gerade Leiter werden von Strömen I1 und I2 durchflossen. Beobachtet wird:

  1. Fließen die Ströme in die gleiche Richtung, ziehen sich die Leiter gegenseitig an.
  2. Fließen die Ströme in entgegengesetzte Richtungen, stoßen sich die Leiter gegenseitig ab.
Die Tatsache, dass eine Wechselwirkung zwischen den Leitern auftritt, ist leicht zu verstehen: Jeder der Leiter erzeugt ein Magnetfeld; der jeweils andere Leiter befindet sich in diesem Magnetfeld und erfährt eine Lorentz-Kraft, da er selber ja von einem Strom durchflossen wird.

Zur Ermittlung der Kraftrichtung soll hier die technische Stromrichtung betrachtet werden. Die Richtung des von einem Strom erzeugten Magnetfelds ergibt sich dann aus der Rechten-Hand-Regel und die Richtung der Lorentz-Kraft aus der 3-Finger-Regel der rechten Hand.

Ströme in gleicher Richtung

Ströme in entgegengesetzte Richtungen

Die Beträge der Kräfte ergeben sich wie folgt. Der Strom I2 erzeugt am Ort des Leiters 1 die Flussdichte B1(I2):

.

In diesem Feld erfährt der Strom im Leiter 1 die Lorentz-Kraft

.

Entsprechend erzeugt der Strom I1 am Ort des Leiters 2 die Flussdichte B2(I1):

.

Der Strom im Leiter 1 erfährt in diesem Feld die Lorentz-Kraft

.

5.3 Durchflutungsgesetz

Die Flussdichte B eines geraden, stromdurchflossenen Leiters hat auf einem Kreis mit Radius r, der um den Leiter verläuft, in jedem Punkt den gleichen Betrag. Die Richtung des Flussdichtevektors ist tangential zu diesem Kreis. Um diese Richtung zu beschreiben, wird ein tangentialer Einheitsvektor verwendet:

Zu einem Mittelpunktswinkel gehört ein Kreisbogen . Mit dem tangentialen Ein-heitsvektor erhält man ein in die Richtung der Flussdichte weisendes Wegelement .

Eine interessante Eigenschaft des Magnetfeldes ergibt sich, wenn man die Skalarprodukte längs einer geschlossenen kreisförmigen Feldlinie K aufsummiert:

Man kann zeigen, dass sich dieser Zusammenhang auch dann ergibt, wenn der stromdurchflossene Leiter auf einer beliebigen krummlinigen, aber geschlossenen Kurve C umlaufen wird:

.

Umschließt man mit einer geschlossenen Kurve C mehrere Ströme gleichzeitig, dann ergibt sich

.

Diese Aussage heißt Durchflutungsgesetz.