Das elektrische Feld

1. Elektrische Ladung und elektrischer Strom

1.1 Ladung

1.1.1 Reibungselektrizität

1. Schon im Altertum war bekannt, dass Bernstein, der mit einem trockenen Tuch gerieben wurde, kleine, leichte Körper z.B. aus Wolle anziehen kann. Dieser Effekt lässt sich auch mit geriebenen Kunststoff-Folien, Kunststoff-Stäben, Glasstäben u.ä. zeigen, die z.B. Papierschnipsel anziehen.

Bei diesen Erscheinungen werden Kraftwirkungen beobachtet, die nicht mechanischen Ursprungs sind. Um diese Phänomene zu beschreiben, wird eine neue physikalische Eigenschaft eingeführt, die elektrische Ladung genannt wird. Als Formelzeichen für diese Größe wird Q benutzt; die Maßeinheit ist [Q] = 1 C (Coulomb – nach Charles Augustin Coulomb, 1736 – 1806). Ein geriebener Gegenstand, der elektrische Kräfte ausübt, wird als elektrisch geladen bezeichnet. Ein Gegenstand, der keine elektrische Wirkung ausübt, wird ungeladen oder neutral genannt.

2. Ein einfaches Gerät zum Nachweis elektrischer Ladung kann schnell selbst gebaut werden:

Nähert man einen elektrisch geladenen Gegenstand diesem Ladungsanzeiger, so dreht sich der Papierzeiger zu diesem hin.

Ersetzt man den Papierstreifen durch einen Streifen aus Kunststoff-Folie und reibt diese, so lassen sich weitere Beobachtungen machen:

3. Ein weiteres Gerät zum Nachweis elektrischer Ladung ist die Glimmlampe:

Wird eine solche Glimmlampe an einen geladenen Körper gehalten, so leuchtet eine der Elektroden auf.

1.1.2 Ladung auf Isolatoren und Metallen

1. Werden metallische Gegenstände, z.B. eine isoliert aufgestellte Metallkugel gerieben, so lässt sich weder mit dem Ladungsanzeiger noch mit einer Glimmlampe eine elektrische Ladung auf der Kugel nachweisen. Streift man aber eine geriebene Kunststoff-Folie an der Metallkugel ab, kann danach eine von der Kugel auf den Ladungsanzeiger ausgeübte Kraftwirkung beobachtet werden. Auch eine an die geladene Metallkugel gehaltene Glimmlampe leuchtet auf und weist so die Ladung nach.

Das bedeutet, dass auch metallische Gegenstände geladen werden können, wenn auch nicht durch Reibung.

Es ist jedoch ein Unterschied zu geladenen Kunststoff-Folien zu beobachten:

Daraus kann man den Schluss ziehen: Auf metallischen Körpern ist die elektrische Ladung beweglich; sie werden daher auch als elektrische Leiter bezeichnet. Nicht-leitende Gegenstände, wie z.B. Kunststoff-Stäbe und -Folien, Glasstäbe usw. nennt man Isolatoren.

2. Ein Bandgenerator ist ein Gerät, bei dem das Laden eines Isolators durch Reibung und die Übertragung der Ladung auf einen metallischen Körper ablaufen. Ein endloses Gummituch läuft über eine Kunststoff-Walze und eine Metallwalze und wird dabei aufgeladen. Dicht über dem Gummituch befindet sich ein gezackter Metallkamm, der mit einem Metallkorb verbunden ist. Über den Metallkamm wird Ladung auf den Metallkorb übertragen.





Bei anderen Typen von Bandgeneratoren wird eine Metallkugel statt des Metallkorbs verwendet; das Funktionsprinzip ist aber stets das gleiche.

1.1.3 Zwei Arten elektrischer Ladung

Mit einer Glimmlampe lassen sich folgende Beobachtungen machen:

Es gibt offensichtlich zwei Arten elektrischer Ladung. Aus historischen Gründen werden diese als positive und negative elektrische Ladung bezeichnet. Ein geriebener Kunststoff-Stab ist negativ, ein geriebener Glasstab ist positiv geladen.

Eine Glimmlampe, die an den geladenen Metallkorb eines Bandgenerators gehalten wird, leuchtet an ihrer dem Korb entgegengesetzten Seite auf und zeigt so an, dass der Metallkorb positiv geladen ist.

1.1.4 Kraftwirkungen

1. Kraftwirkungen elektrischer Ladungen wurden schon oben beschrieben. Dies soll nun noch erweitert werden.

1) Nähert man zwei durch Reiben negativ geladene, senkrecht herunterhängende Kunststoff-Folien einander, so ist eine Abstoßung der beiden Folien zu beobachten.

2) Graphit verhält sich in Bezug auf die elektrische Leitfähigkeit wie ein Metall. Ein mit einer Graphitschicht überzogener Tischtennisball wird an einem isolierenden Faden aufgehängt. Lädt man den Ball am Bandgenerator positiv auf, wird er vom Bandgenerator abgestoßen.

3) Eine negativ geladene Kunststoff-Folie wird dem positiv geladenen Bandgenerator genähert. Es ist eine Anziehung der Folie zu beobachten.

4) Ein isoliert aufgehängtes Aluminium-Plättchen wird am Bandgenerator positiv aufgeladen. Eine negativ geladene Kunststoff-Folie zieht das Plättchen an.

Es ist also festzustellen:

Gleichnamige Ladungen stoßen sich ab; ungleichnamige Ladungen ziehen sich an (elektrisches Kraftgesetz).

2. Ein schon früh verwendetes Nachweisgerät für elektrische Ladung ist das Elektroskop. An einem feststehenden Metallstab ist ein drehbar gelagerter leichter Metallzeiger angebracht. Lädt man das Elektroskop auf, indem man z.B. eine negativ geladene Folie daran abstreift, verteilt sich die Ladung in Stab und Zeiger. Da diese nun gleichnamig geladen sind, wird der drehbare Zeiger abgestoßen.

Lädt man das Elektroskop positiv auf, werden Stab und Zeiger wieder gleichnamig geladen und stoßen sich ab. Die Art der Ladung kann mit dem Elektroskop allein nicht festgestellt werden.

1.1.5 Geladene und neutrale Körper

Versuch 1: Auf ein Elektroskop wird ein sogenannter Faraday-Becher aufgesteckt. Wenn ein geladener Gegenstand in diesen Becher eingebracht wird, schlägt der Zeiger des Elektroskops aus.

Nun werden ein Kunststoffstab und ein Glasstab aneinander gerieben. Der Kunststoffstab lädt sich dabei negativ und der Glasstab positiv auf. Mit dem Elektroskop lässt sich wie beschrieben nachweisen, dass die Stäbe geladen sind. Werden aber beide Stäbe gleichzeitig in den Faraday-Becher eingebracht, so zeigt dass Elektroskop keinen Ausschlag.

Das bedeutet: Positive und negative Ladungen gleichen sich in ihrer Wirkung aus.

Kommen positive und negative Ladungen gleicher Größe zusammen, so heben sie sich in ihren Wirkungen auf. Dieser Vorgang heißt Neutralisation.

Versuch2: Zwei auf Isolierstützen befestigte, ungeladene (neutrale) Metallkugeln werden so aufgestellt, dass sie sich berühren. Eine negativ geladene Kunststoff-Folie wird in die Nähe der beiden Kugeln gebracht, ohne die Kugeln zu berühren. Dann werden die beiden Kugeln voneinander getrennt. Mit einem Elektroskop lässt sich nachweisen, dass beide Kugeln nach der Trennung elektrisch geladen sind. Weiter ist festzustellen, dass die Kugeln unterschiedlich geladen sind: Lädt man das Elektroskop zunächst durch Berühren mit der einen Kugel auf, und bringt dann die zweite Kugel an das Elektroskop, so geht dessen Ausschlag zurück. Es hat also eine Neutralisation stattgefunden.

Hieraus lässt sich schließen: Die Metallkugeln haben bereits Ladung enthalten. Da sie anfangs neutral waren, müssen sie jeweils gleich viel positive wie negative Ladung enthalten haben. Die geladene Folie hat diese Ladungen getrennt, da ihre negative Ladung die negativen Ladungen in den Metallkugeln abstößt. Dies bewirkt einen Überschuss negativer Ladung auf der einen Kugel, die somit negativ geladen erscheint. Auf der anderen Kugel entsteht ein Mangel an negativer Ladung, so dass die in der Kugel enthaltene positive Ladung überwiegt und die Kugel positiv geladen erscheint.

Allgemein gilt: Elektrische Ladung wird nicht „erzeugt“. In einem neutralen Körper befinden sich positive und negative Ladungen in gleicher Menge. Geladene Körper entstehen durch Ladungstrennung, z.B. durch Reibung oder unter der Wirkung äußerer elektrischer Kräfte.

1.1.6 Influenz, Polarisation

1. Wird einem Elektroskop ein geladener Körper genähert, so zeigt das Elektroskop schon einen Ausschlag, auch wenn der geladene Körper das Elektroskop nicht berührt. Bei Entfernung des geladenen Körpers geht der Ausschlag des Elektroskops wieder zurück.

Dieser Vorgang wird als Influenz bezeichnet:

Bringt man einen geladenen Körper in die Nähe eines ungeladenen Metallkörpers, dann kommt es im Metall zu Ladungsverschiebungen, d.h. positive und negative Ladungen werden getrennt. Entfernt man den geladenen Körper, dann stellt sich im Metall wieder die ursprüngliche Ladungsverteilung ein.

2. Neutrale, nicht-metallische Körper (Isolatoren) können durch geladene Körper beeinflusst werden:

usw. Dieser Effekt wird als Polarisation bezeichnet:

In einem Isolator kommt es unter der Wirkung äußerer elektrischer Kräfte zu Ladungsverschie-bungen, so dass der Isolator als geladen erscheint.

1.1.7 Der glühelektrische Effekt; Elektronen

1. Gase sind unter Normalbedingungen elektrische Isolatoren. Erhöht man aber die Spannung, so kann es zu elektrischen Durchschlägen, also zu einem Stromfluss in Luft kommen. Schon mit einem geladenen Bandgenerator können solche Durchschläge erzeugt werden.

2. Im 19. Jahrhundert wurde die Elektrizitätsleitung in Gasen und im Vakuum intensiv untersucht. Dabei wurden gasgefüllte Glasröhren benutzt, in die metallische Elektroden eingeschmolzen waren. Ein Beispiel dafür ist die Edison-Röhre: ein evakuierter Glaskolben enthält einen Glühdraht (Kathode) und ein Auffangblech (Anode).

Versuch: Die Anode einer Edison-Röhre wird an ein Elektroskop angeschlossen. Das Elektroskop wird positiv oder negativ aufgeladen.

Positiv geladenes Elektroskop: Wenn der Glühdraht glüht, geht der Ausschlag des Elektroskops zurück.

Negativ geladenes Elektroskop: Der Ausschlag des Elektroskops bleibt bestehen, auch wenn der Glühdraht glüht.

Diese Beobachtungen lassen sich so deuten, dass aus dem glühenden Glühdraht negative Ladung austritt, sich zum Anodenblech bewegt und von dort zum Elektroskop gelangt. Ist dieses positiv geladen, wird es durch die ankommende negative Ladung neutralisiert. Ist es negativ geladen, stößt es die negative Ladung aus dem Glühdraht ab, so dass sich sein Ausschlag nicht verändert.

3. In solchen und zahlreichen anderen Versuchen wurde schon im 19. Jahrhundert nachgewiesen, dass die aus dem Glühdraht austretende negative Ladung nicht an chemisch nachweisbare Stoffe gebunden ist. Für diese „reine Elektrizität“ wurde die Bezeichnung Elektronen eingeführt.

Der englische Physiker Joseph John Thomson (1856 – 1940) schlug 1904 ein erstes Atommodell vor, mit dem das Vorkommen der elektrischen Ladung in den Atomen beschrieben werden sollte. Atome sollten aus einer homogenen Kugel positiv geladener Materie bestehen, in der in bestimmten Gleichgewichtslagen Elektronen eingelagert sind wie Rosinen in einem Kuchen. Elektronen können in diesem Modell aus dem Atom herausgelöst werden, so dass ein positiver Atomrest, genannt Ion, übrig bleibt. Der Vorgang des Herauslösens eines oder mehrerer Elektronen aus dem Atom wird Ionisation genannt.

Die Elektrizitätsleitung in Gasen – z.B. der Durchschlag in Luft – lässt sich damit so verstehen:

1.1.8 Atomistisches Modell der Ladung

1. Über den Aufbau von Atomen ist in mehr als 100 Jahren physikalischer Forschung sehr viel an Erkenntnissen gewonnen worden. Für die Untersuchung und Beschreibung elektrischer Erscheinungen wird hier das folgende vereinfachte Modell zu Grunde gelegt.

Träger der elektrischen Ladung sind die Atome, aus denen jeder Körper aufgebaut ist. Ein Atom besteht aus einem Atomkern und einer Atomhülle. Im Atomkern befinden sich positiv geladene Teilchen, die sogenannten Protonen (und elektrisch neutrale Teilchen, die Neutronen). Die Hülle ist aus negativ geladenen Teilchen zusammengesetzt, die Elektronen genannt werden. Die Anzahl der Elektronen eines Atoms ist gleich der Ordnungszahl des chemischen Elements im Periodensystem, zu dem es gehört. Beispiel: Kupfer (Cu) hat die Ordnungszahl 29; ein Cu-Atom besitzt also 29 Elektronen.

Teilchen

Ladung

Masse

Elektron (e– )

Proton (p)

Der Ladungsbetrag dieser Teilchen wird als Elementarladung e bezeichnet: . Dies ist die kleinste in der Natur nachweisbare Ladungsmenge.

Jedes Atom weist gleich viel positive wie negative Ladungsträger auf. Es ist daher als Ganzes elektrisch neutral. Einzelne Elektronen können aus den Atomhüllen herausgerissen oder von den Atomhüllen abgegeben werden. Die positiven Protonen können dagegen die Atomkerne nicht verlassen. Ein fester Körper kann deshalb nur dadurch positiv geladen werden, dass er negative Elektronen verliert. Entsprechend wird ein Körper dadurch negativ geladen, dass negative Elektronen hinzukommen.

2. Ein einfaches Modell vom Aufbau metallischer Festkörper muss zwei Dinge berücksichtigen:

Dies ist in der folgenden Vorstellung enthalten:

In dieser Modellvorstellung verhalten sich die Elektronen ähnlich wie die Teilchen eines Gases. Man spricht daher in diesem Zusammenhang auch vom Elektronengas.

3. Im atomistischen Modell der Ladung können auch Influenz und Polarisation beschrieben werden.



Bringt man einen geladenen Körper in die Nähe eines (neutralen) Metallstücks, so werden die beweglichen Elektronen im Metall unter der Wirkung der von außen ausgeübten elektrischen Kräfte verschoben. Es entsteht also ein Bereich, in dem die negative Ladung der Elektronen überwiegt, und ein Bereich, in dem die nun nicht mehr kompensierte Ladung der positiven Atomrümpfe überwiegt.




Die Polarisation lässt sich so deuten, dass es unter der Wirkung äußerer elektrischer Kräfte zu einer Verschiebung der Elektronen in der Atomhülle kommt. Dadurch entstehen atomare Dipole, bei denen die positiven und negativen Ladungsschwerpunkte räumlich voneinander getrennt sind. Im Innern eines Isolators kompensieren sich die ungleichen Ladungen; an der Oberfläche jedoch überwiegen Ladungen jeweils eines Vorzeichens, so dass der Isolator geladen erscheint.



4. Das Aufleuchten einer Glimmlampe zeigt, dass ein Körper geladen ist. Es lässt sich sogar die Art der Ladung angeben:

Dies lässt sich auch so formulieren: Bei einer Glimmlampe leuchtet stets das Ende auf, an dem Elektronen in die Glimmlampe eintreten.

An einer negativ geladenen Folie nimmt man also mit der Glimmlampe überschüssige Elektronen ab, die durch die Glimmlampe und den Körper zur Erde abfließen. Der positiv geladene Bandgenerator dagegen nimmt über die Glimmlampe aus dem Körper und der Erde Elektronen auf.

1.1.9 Moderne Quellen und Nachweisgeräte

1. Bei Versuchen wird häufig ein Hochspannungsgerät benutzt. Schließt man an seine mit + und – gekennzeichneten Buchsen Metallkugeln an, so kann mittels einer Glimmlampe nachgewiesen werden, dass die Kugeln dann entsprechend geladen sind. Von der Kugel am Plus-Pol sind Elektronen „abgesaugt“ worden, die Kugel am Minus-Pol hat dagegen zusätzliche Elektronen erhalten.

Die Kugeln unterscheiden sich also in ihrer Elektronendichte. Zu einem solchen Zustand sagt man auch: Zwischen Körpern mit unterschiedlicher, vom Normalzustand abweichender Elektronenverteilung besteht eine Spannung.

Die Spannung ist eine weitere physikalische Größe zur Beschreibung elektrischer Vorgänge. Ihr Formelzeichen ist U ; die Maßeinheit ist [U] = 1 V (Volt – nach Alessandro Volta, 1745 – 1827).

In Geräten wie dem Hochspannungsgerät laufen Prozesse ab, die zu einer Ladungstrennung führen. Der Minuspol ist durch einen Elektronenüberschuss und der Pluspol durch einen Elektronenmangel gekennzeichnet. Zwischen den Polen besteht daher eine Spannung.

Andere Geräte zur Ladungstrennung sind Batterien und Netzgeräte. In diesen werden jedoch andere physikalische Vorgänge ausgenutzt. In Batterien laufen chemische Prozesse ab, die eine Ladungstrennung bewirken; in Netzgeräten werden elektromagnetische Vorgänge ausgenutzt.

Geräte, die eine Ladungstrennung hervorrufen, werden als Spannungsquellen (oder kurz Quellen) bezeichnet.

2. Mit einem Messverstärker kann Ladung nicht nur nachgewiesen werden, sondern es können auch sehr kleine Ladungsbeträge quantitativ gemessen werden.

Die zu messende Ladung wird einem Kondensator im Messverstärker zugeführt. An diesem entsteht dadurch eine Spannung, die verstärkt wird. An den Messverstärker wird zur Anzeige ein Drehspulmessgerät angeschlossen.

Beispiel: Eine Metallkugel mit Radius r = 5 cm wird auf einer Isolierstütze angebracht und mit der Spannung U = 6 kV geladen. Der Messverstärker zeigt eine Ladung von an.