6. Gravitationsfeld mehrerer Massen

Doppelsternsysteme

Es wird ein fiktives Doppelsternsystem mit folgenden Daten betrachtet:

Die beiden Sterne werden gemäß der nebenstehenden Abbildung symmetrisch in einem Koordinatensystem angeordnet.

In jedem Punkt des Raumes überlagern sich die Gravitationsfelder der beiden Massen. Die resultierende Feldstärke in einem Punkt P ergibt sich aus der vektoriellen Summe der Einzelfeldstärken:

.

Die Beträge der Feldstärken in P sind:

Damit kann die resultierende Feldstärke zeichnerisch ermittelt werden. Es ergibt sich

Das folgende JavaScript-Programm führt die Berechnung der Gravitationsfeldstärke in einem Punkt P durch.

m1 = m2 = 1*1030 kg
d = 2a = 2*1012 m
x = * 1012m
y = * 1012m
a1,x = a2,x = ax =
a1,y = a2,y = ay =
 |a1| =   |a2| = |a| =
(alle Angaben in 10--5 m/s2)

Der Feldstärkevektor  in einem Punkt P verläuft tangential zur Feldlinie des Gravitationsfeldes, die durch P führt. Mit Hilfe der Feldstärkevektoren lässt sich das Feldlinienbild konstruieren. Bei gleichen Massen ergibt sich folgendes Bild:

Das resultierende Gravitationspotential der beiden Massen in einem Punkt P(x | y | z) des Raumes ergibt sich aus der Summe der Einzelpotentiale:

Raumpunkte, die gleiches Gravitationspotential besitzen, bilden eine Äquipotentialfläche. Bei einem zweidimensionalen Schnitt durch das Feld ergeben sich Äquipotentiallinien.

Wird bei einem solchen Schnitt eine dritte Koordinatenachse senkrecht zur Schnittfläche verwendet und in deren Richtung die Werte des Potentials eingetragen, so ergibt sich eine dreidimensionale Darstellung der „Potentialtrichter“:

Ein Schnitt längs der Verbindungslinie der Massen (y = 0) lässt die Potentialtrichter ebenfalls erkennen:

Die bei der Verschiebung eines Probekörpers der Masse m im Feld der beiden Massen m1 und m2 verrichtete Arbeit kann mit dem Potential leicht ermittelt werden:

.

Bei der Verschiebung einer Probemasse auf einer Äquipotentialfläche wird also keine Arbeit verrichtet:

.

Andererseits ergibt sich die Verschiebungsarbeit aus

.

Das bedeutet, dass die Feldstärkevektoren stets senkrecht auf den Äquipotentialflächen stehen.

Feldlinien und Äquipotentialflächen bzw. -linien stehen somit senkrecht aufeinander, wie die folgende Abbildung zeigt.

Stabilität des Doppelsternsystems

Würden die beiden Sterne sich anfänglich ruhend gegenüber stehen, so würden sie sich wegen ihrer Gravitationskräfte gegenseitig anziehen und schließlich zusammenstoßen. In Doppelsternsystemen rotieren die Sterne aber um ihren gemeinsamen Schwerpunkt. Bei gleichen Massen liegt der Schwerpunkt des Systems in der Mitte der Verbindungslinie der beiden Sternschwerpunkte.

Die Gravitationskräfte wirken hier als die für die Kreisbewegung nötigen Zentripetalkräfte. Für die Bewegung des Sterns 1 im Gravitationsfeld des Sterns 2 gilt also:

Daraus ergibt sich

.

Wegen der Symmetrie des Systems ist natürlich v2 = v1.

Die gemeinsame Umlaufdauer der Sterne um den Systemschwerpunkt lässt sich wie folgt ermitteln:

Reales Doppelsternsystem

Als Beispiel soll das Doppelsternsystem: U Cephei betrachtet werden. Die beiden Komponenten werden mit B und G bezeichnet. Aus seiner Beobachtung sind folgende Daten bekannt:
 
  • B und G bewegen sich auf Kreisbahnen um den gemeinsamen Schwerpunkt
  • Bahngeschwindigkeiten: 
  • gemeinsame Umlaufdauer: 

Daraus lassen sich die Bahnradien rB, rG und die Massen mB, mG bestimmen.

(1) Aus der Bahngeschwindigkeit folgt der Bahnradius:

Mit den angegebenen Daten:

.

(2) Stern B bewegt sich im Gravitationsfeld von Stern G und umgekehrt. Die Gravitationskraft liefert die für die Kreisbewegung nötige Zentripetalkraft Für Stern B gilt:

Nach Einsetzen der Werte ergibt sich:

.

Für Stern G wird entsprechend angesetzt:

Daraus wird erhalten:

.

Aufgrund der verschiedenen Massen werden das Feldlinienbild und die Potentialverläufe unsymmetrisch.

Doppelsternsystem mit größerem Massenunterschied

Die Unsymmetrie im Feldbild und in den Potentialverläufen wird umso ausgeprägter, je größer der Massenunterschied der beiden Sterne ist. Die folgenden Abbildungen ergeben sich für m1 = 5.m2.


Übungen

1. Auf der Verbindungslinie der Mittelpunkte von Erde und Mond gibt es einen Punkt P, in dem das resultierende Gravitationsfeld von Erde und Mond die Feldstärke Null hat (feldfreier Punkt). Die Masse mE der Erde ist 81mal so groß wie die Masse mM des Mondes und die mittlere Entfernung der Mittelpunkte von Erde und Mond ist d = 384 400 km. Wo liegt der Punkt P?

2. a) Wie viel Prozent vom Gravitationspotential der Erde beträgt das Gravitationspotential des Mondes an der Erdoberfläche?

b) Wie viel Prozent des Gravitationspotentials des Mondes beträgt das Gravitationspotential der Erde an der Mondoberfläche?

3. Ein Doppelsternsystem besteht aus zwei Sternen S1 und S2, die in Masse M und Radius R übereinstimmen. Der Abstand ihrer Mittelpunkte ist r. Auf der Oberfläche des Sterns S1 sei A der Punkt, der dem Stern 2 am nächsten liegt. In A befindet ein kleiner Körper der Masse m.

Stellen Sie einen Term auf für die Arbeit WA, P, die erforderlich ist, um den Körper vom Punkt A bis in die Mitte P zwischen den beiden Sternen zu bringen.

4. In dem oben betrachteten fiktiven Doppelsternsystem mit den Daten

befindet sich eine Sonde der Masse m momentan am Ort x = –0,7.1012 m , y = 0. Sie überquert die Verbindungslinie der beiden Sterne senkrecht mit der Geschwindigkeit v = 15 000 m/s.

a) Zeigen Sie, dass die Sonde an das Doppelsternsystem gebunden bleibt.

b) Welche Geschwindigkeit darf die Sonde im genannten Punkt höchstens haben, damit sie an den ihr näher liegenden Stern gebunden ist?

5. Der nächste Nachbar unserer Sonne ist der Doppelstern Alpha-Centauri. Er besteht aus zwei Sternen, die ihren gemeinsamen Schwerpunkt S auf Kreisbahnen umlaufen. Die gemeinsame Umlaufzeit ist T = 80,1 a; die Bahnradien sind .

Berechnen Sie die Massen m1 und m2 der beiden Sterne.

6. In einem Doppelsternsystem ist m1 = 5 m2 ; der Abstand der Sterne sei d. Berechnen Sie die Lage des feldfreien Punktes.