4. Die Menge der Reellen Zahlen

Charakterisierung rationaler Zahlen

1. Da die rationalen Zahlen als Zusammenfassung der Bruchzahlen B und deren Gegenzahlen eingeführt wurden, kann die Menge der rationalen Zahlen wie folgt charakterisiert werden:

.

2. Die Darstellung natürlicher Zahlen beruht auf einem Stellenwertsystem: Jede Ziffer (Stelle) einer natürlichen Zahl ist mit einem Vielfachen von 10 zu multiplizieren, je nachdem, an wievielter Stelle die Ziffer steht. Beispiel:

.

Erweiterung unter Verwendung von Bruchzahlen:

Eine solche Zahl wird als Dezimalbruch bezeichnet. Jeder Bruch lässt sich in einen Dezimalbruch umwandeln, wie die folgenden Beispiele verdeutlichen sollen.
 

3:8 = 0,375 
--
30
24
--
 60
 56
 --
  40
abbrechender Dezimalbruch
         _____
6:41 = 0,14634 
--
60   <---------|
41             |
--             |
190            |
164            |
---            |
 260           |
 246           |
 ---           |
  140          |
  123          |
  ---          |
   170         |
   164         |
   ---         |
     60 -------| 

reinperiodischer Dezimalbruch
           _
5:12 = 0,416 
--
50
48
 --
 20
 12
 --
  80  <-----|
  72        |
  --        |
   80 ------|

gemischtperiodischer Dezimalbruch

3. Umgekehrt lassen sich Dezimalbrüche immer in Brüche umwandeln. Beispiele:

abbrechender Dezimalbruch: 

reinperiodischer Dezimalbruch:

gemischtperiodischer Dezimalbruch:


Die Menge der rationalen Zahlen lässt sich daher auch charakterisieren als die Menge aller abbrechenden und periodischen Dezimalbrüche.

Löcher auf der Zahlengeraden

Auf der Zahlengeraden wird ein Einheitsquadrat (Quadrat mit der Seitenlänge 1) angebracht. Seine Diagonale wird mit d bezeichnet.

Die Länge der Diagonale d soll ermittelt werden. Zu diesem Zweck wird die Figur wie folgt erweitert:

Das Quadrat ABCD hat den Flächeninhalt A1 = 1.

Halbiert man das Quadrat ABCD, so entstehen 2 Dreiecke mit dem Flächeninhalt 1/2.

Das Quadrat AEFC lässt sich aus 4 solcher Dreiecke zusammensetzen, also gilt für den Flächeninhalt A2 dieses Quadrates:

A2 = 2.

Andererseits gilt auch:

A2 = d2,

also:

d2 = 2.

Gibt es eine rationale Zahl d mit dieser Eigenschaft?

Zunächst soll eine abkürzende Schreibweise eingeführt werden: Die positive Zahl d mit der Eigenschaft d2 = 2 wird als „Wurzel aus 2“ bezeichnet; Schreibweise: . Allgemein wird festgelegt:

Die positive Zahl, die mit sich selbst multipliziert die Zahl a ergibt, wird als „Wurzel aus a“ bezeichnet; Schreibweise:.
ist diejenige Zahl, für die gilt;
ist diejenige Zahl, für die gilt;
usw.

Um zu untersuchen, ob  eine rationale Zahl ist, wird folgende Aussage über rationale Zahlen benötigt.
 
Satz: Wenn  keine ganze Zahl ist, dann ist auch  keine ganze Zahl.

Beweis:
 
Es wird angenommen, dass der Bruch  bereits vollständig gekürzt ist, sonst wird er zuerst gekürzt. Beispiel:

Dann enthalten Zähler und Nenner keine gemeinsamen Primfaktoren mehr.
In  enthalten Zähler und Nenner dann ebenfalls keine gemeinsamen Primfaktoren.

Der Bruch  kann also nicht mehr gekürzt werden.

Da  keine ganze Zahl ist, ist n nicht gleich 1.

Daher ist auch .

Daraus folgt, dass  keine ganze Zahl ist.

Mit Hilfe des eben bewiesenen Satzes kann nun gezeigt werden, dass  keine rationale Zahl ist.

Beweis:

Bekannt ist, dass  keine ganze Zahl ist, denn es gilt

12 < 2 < 22.

Also muss  zwischen den beiden ganzen Zahlen 1 und 2 liegen:

.

Angenommen, wäre eine nicht-ganze rationale Zahl.

Dann müsste das Quadrat von  ebenfalls eine nicht-ganze rationale Zahl sein (nach dem oben bewiesenen Satz).

Nun ist aber bekannt:  ist eine ganze Zahl.

Das ist jedoch ein Widerspruch zu der Annahme, dass  eine nicht-ganze rationale Zahl ist.

Die Annahme muss also falsch sein.

Also ist  weder eine ganze noch eine nicht-ganze rationale Zahl.

Es gibt keine rationale Zahl, deren Quadrat 2 ist.

Und es kommt noch besser ... (oder schlimmer – je nach Einstellung ...)

Beginnt man mit einem Quadrat ABCD, dessen Seitenlänge durch eine beliebige natürliche Zahl n > 1 gegeben ist, dann ist dessen Flächeninhalt

A1 = n2.

Halbiert man das Quadrat ABCD, so entstehen 2 Dreiecke mit dem Flächeninhalt n2 / 2.

Das Quadrat AEFC lässt sich wieder aus 4 solcher Dreiecke zusammensetzen, also gilt für den Flächeninhalt A2 dieses Quadrates:

A2 = 2n2.

Andererseits gilt wieder:

A2 = d2,

also:

d2 = 2n2

.

Wie für  kann gezeigt werden, dass  keine rationale Zahl ist. Das bedeutet:

Die Diagonale eines Quadrates, dessen Seitenlänge eine natürliche Zahl ist, kann nicht durch eine rationale Zahl angegeben werden.

Nun kann man aber die Diagonalen dieser Quadrate in den Zirkel nehmen und sie auf die Zahlengerade drehen.

Es gibt also Stellen auf der Zahlengeraden, zu denen keine rationalen Zahlen angegeben werden können.

Die Darstellbarkeit an der Zahlengeraden legt es jedoch nahe, diesen Stellen auch Zahlen, eben „nicht-rationale“ Zahlen, zuzuordnen.

Weitere nicht-rationale Zahlen ergeben sich aus dem folgenden
 
Satz: Für eine Primzahl p ist keine rationale Zahl.

Reelle Zahlen

Die Zahlen, deren Dezimaldarstellung nicht-periodisch und nicht-abbrechend ist, bilden die Menge der IrrationalzahlenI. Irrationalzahlen und rationale Zahlen werden zusammengefasst zur Menge  der reellen Zahlen.

Es gelten als folgende Zusammenhänge:

.

Es gibt also „mehr“ reelle Zahlen als rationale Zahlen.

Näherungszahlen

Eine Irrationalzahl besitzt keine abbrechende Dezimalbruch-Darstellung, d.h. die Zahl besitzt unendlich viele Nachkommastellen. Darüber hinaus tritt in diesen Nachkommastellen keine Periode auf. Durch eine Dezimalzahl kann eine Irrationalzahl also immer nur näherungsweise angegeben werden.

Es gibt verschiedene Verfahren, dezimale Näherungszahlen für Irrationalzahlen zu bestimmen. Als Beispiel soll hier das Intervall-Halbierungs-Verfahren betrachtet werden.


Wenn eine dezimale Näherungszahl für die Irrationalzahl  bestimmt werden soll, lässt sich das auch so ausdrücken:

Gesucht ist die positive Lösung der Gleichung x2 = 2.

Erster Schritt:

Es wird ein Intervall [xlinks ; xrechts] gesucht, in dem die Lösung liegt.

Ein geeignetes Intervall ist xlinks = 1 und xrechts = 2, denn: 12 < 2 < 22.

Zweiter Schritt:

Es wird der Mittelpunkt xm des Intervalls berechnet:

,

also

.

Dritter Schritt:

Es wird  gebildet und mit 2 verglichen:

.

Da ist, wird xm als neue rechte Intervallgrenze gewählt:

xrechts = xm = 1,5.

Die gesuchte Lösung ist jetzt durch ein Intervall eingegrenzt, das nur noch halb so breit ist wie das Ausgangsintervall:

xlinks = 1 , xrechts = 1,5.


Wiederholung von Schritt 2:

Berechnung des Mittelpunktes xm des halbierten Intervalls:

Wiederholung von Schritt 3:

Es wird  gebildet und mit 2 verglichen:

.

Da ist, wird xm als neue linke Intervallgrenze gewählt:

xlinks = xm = 1,25.

Die gesuchte Lösung ist jetzt durch ein Intervall eingegrenzt, das nur noch halb so breit ist wie das vorige Intervall:

xlinks = 1,25 , xrechts = 1,5.


Wiederholung von Schritt 2:

Wiederholung von Schritt 3:

neues Intervall:

xlinks = 1,375 , xrechts = 1,5.

Schritt 2 und Schritt 3 werden solange wiederholt, bis eine gewünschte Genauigkeit erreicht ist.


Rechengesetze

Die rationalen Zahlen wurden mit Punkten auf der Zahlengeraden identifiziert. Die Addition rationaler Zahlen wurde als das Hintereinanderlegen der entsprechenden Pfeile veranschaulicht:

Die reellen Zahlen wurden ebenfalls als Punkte auf der Zahlengeraden eingeführt. Ihre Addition lässt sich ebenfalls als das Hintereinanderlegen der entsprechenden Pfeile darstellen. Für die Summe von  und  ergibt sich also auch eine Stelle auf der Zahlengeraden. Für diese kann aber keine vereinfachte Schreibweise angegeben werden. Der Name dieser Zahl ist .

Wie bei rationalen Zahlen wird die Subtraktion als Addition der Gegenzahl, die Multiplikation als Streckung eines Pfeils und die Division als Multiplikation mit dem Kehrwert auf reelle Zahlen übertragen.

In der Menge der reellen Zahlen gelten folgende Rechengesetze.

Für alle  gilt:
 
 
Addition
Multiplikation
Assoziativgesetz
Neutrales Element
Inverses Element
Kommutativgesetz
Distributivgesetz


Übungen

1. Begründen Sie wie für , dass  keine rationalen Zahlen sind.

2. Erläutern Sie, warum die Begründung nicht auf die Zahlen  anwendbar ist.

3. Bestimmen Sie mit dem Intervall-Halbierungs-Verfahren dezimale Näherungszahlen für .

4. Anwendung des Distributivgesetzes:

(1) Multiplizieren Sie aus.

(2) Klammern Sie soweit wie möglich aus.


Mit dem folgenden JavaScript können Sie zu positiven Zahlen r die Wurzel mit dem Intervall-Halbierungs-Verfahren näherungsweise berechnen.
Wählen Sie z.B. r = 2; 3; 5; 8; ....
Experimentieren Sie mit verschiedenen Ausgangsnäherungen für x_links und x_rechts. (Beachten Sie bitte: bei Dezimalzahlen ist ein Dezimalpunkt, kein Komma einzugeben.)
Versuchen Sie, Ör möglichst genau anzunähern.

Intervall-Halbierungs-Verfahren:
Berechnung von Näherungszahlen für Ö
Ausgangsnäherung:

r         = 
x_links  = 
x_rechts = 

n             x_links                          x_rechts