3.6 Berechnung von Laplace-Wahrscheinlichkeiten

Im Abschnitt 2.4 wurde festgestellt, dass sich für ein Laplace-Experiment die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses aus der Mächtigkeit von E und der Mächtigkeit des Ergebnisraums berechnen lässt:

.

Mit den nun zur Verfügung stehenden kombinatorischen Hilfsmitteln können diese beiden Mächtigkeiten berechnet werden.


Beispiel 1: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass in einer Klasse mit 23 Schülern mindestens zwei Schüler am gleichen Tag Geburtstag haben?

Zur Vereinfachung wird vorausgesetzt:

Werden nun die Tage eines Jahres von 1 bis 365 nummeriert, so lassen sich die Geburtstage aller 23 Schüler in einer 23-Variation mit Wiederholung (es können ja mehrere Schüler am gleichen Tag Geburtstag haben) zusammenfassen. Der Ergebnisraum ist also die Menge aller 23-Variationen mit Wiederholung aus der 365-Menge der Tage; seine Mächtigkeit ist

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Das Ereignis E: „mindestens zwei Geburtstage fallen zusammen“ besteht dagegen aus den 23-Tupeln, in denen mindestens zwei Zahlen gleich sind. Diese Menge ist nur schwer abzuzählen – auch mit den vorhandenen kombinatorischen Hilfsmitteln. Einfacher ist es, das Gegenereignis  „alle 23 Geburtstage sind verschieden“ abzuzählen. Dies ist eine 23-Variation ohne Wiederholung, also ist seine Mächtigkeit

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Damit ergibt sich für die Wahrscheinlichkeit von E:

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Die Wahrscheinlichkeit, dass mindestens 2 von 23 Personen am gleichen Tag des Jahres Geburtstag haben, ist also etwas größer als 50%.


Beispiel 2: Aus einer Urne mit einer weißen, einer roten und einer schwarzen Kugel wird eine Kugel gezogen, wieder zurückgelegt und erneut eine Kugel gezogen. Mit welcher Wahrscheinlichkeit zieht man zweimal eine weiße Kugel, mit welcher Wahrscheinlichkeit zieht man zwei verschiedenfarbige Kugeln?

Das Ergebnis einer solchen Ziehung ist ein 2-Tupel, dessen Plätze mit Elementen aus der 3-Kugel-Menge besetzt werden.

Die Anordnung ist durch das Ziehen nacheinander gegeben, Wiederholung ist durch das Zurücklegen möglich, somit liegt eine 2-Variation mit Wiederholung aus einer 3-Menge vor:

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Das Ereignis E1: „zwei weiße Kugeln“ hat die Mächtigkeit 1, also ist seine Wahrscheinlichkeit

.

Das Ereignis E2: „zwei verschiedenfarbige Kugeln“ besteht aus allen 2-Variationen ohne Wiederholung aus einer 3-Menge, also ist

,

und die Wahrscheinlichkeit von E2 ist

.


Beispiel 3: Mit welcher Wahrscheinlichkeit hat man mit einem Tipp im Fußball-Toto (11 Spiele) 9 Richtige?

Für jedes Spiel ist anzukreuzen: entweder 0 (unentschieden) oder 1 (Heimmannschaft gewinnt) oder 2 (Gastmannschaft gewinnt). Es sind also 11-Variationen mit Wiederholung aus den Elementen der Menge {0, 1, 2} zu bilden:

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Das Ereignis E: „9 Richtige“ setzt sich wie folgt zusammen. Es werden zuerst 9 von den 11 Spielen richtig getippt; für das 10. Spiel gibt es nun zwei Möglichkeiten, falsch zu tippen, ebenso für das 11. Spiel. Nach dem Zählprinzip ist dann

,

und die Wahrscheinlichkeit für 9 Richtige beträgt

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Beispiel 4: Es wird das Lotto „6 aus 49“ betrachtet.

Die Ergebnisse beim Lotto sind 6-Kombinationen ohne Wiederholung aus der 49-Menge der Zahlen:

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a) Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, genau 3 Richtige zu haben?

Dieses Ereignis setzt sich zusammen aus den 3-Kombinationen ohne Wiederholung aus der 6-Menge der gezogenen Zahlen und den 3-Kombinationen ohne Wiederholung aus der 43-Menge der nicht gezogenen Zahlen. Nach dem Zählprinzip ist daher

,

und die gesuchte Wahrscheinlichkeit beträgt

.

b) Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, genau 3 Richtige mit Zusatzzahl zu haben?

Die Zusatzzahl ist eine 7. Zahl, die gezogen wird. Ein Ergebnis besteht nun aus einer 6-Kombination ohne Wiederholung aus der 49-Menge der Zahlen und einer weiteren Zahl aus der 43-Menge der noch nicht gezogenen Zahlen. Die Mächtigkeit des Ergebnisraums ist dann

.

Das Ereignis E: „3 Richtige mit Zusatzzahl“ tritt ein, wenn bei der Ziehung 3 aus den 6 angekreuzten Zahlen, 3 aus den nicht angekreuzten Zahlen und als Zusatzzahl eine der 3 angekreuzten und nicht schon gezogenen Zahlen gezogen wird:

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Die Wahrscheinlichkeit beträgt

.


Beispiel 5: Beim „Spiel 77“ (und bei der Glücksspirale) wird eine 7-stellige Gewinnzahl gezogen; jede Stelle ist mit den Ziffern 0, 1, ..., 9 besetzt. Man gewinnt, wenn die Endziffern der eigenen Losnummer mit denen der gezogenen Gewinnzahl übereinstimmen.

Die Ergebnisse sind 7-Variationen mit Wiederholung aus der 10-Menge {0, 1, 2, ..., 9}, also ist

.

Das Ereignis E1: „eine Endziffer ist richtig“ tritt ein, wenn die rechts stehende Endziffer richtig ist, die 2. Ziffer von rechts dagegen falsch ist; die verbleibenden 5 Ziffern können beliebig sein.

Nun kann die 2. Ziffer von rechts auf 9 Arten falsch sein, die übrigen Stellen links davon können auf jeweils 10 Arten falsch sein. Somit ergibt sich

,

und die gesuchte Wahrscheinlichkeit ist

.

Entsprechend erhält man für das Ereignis E2: „zwei Endziffern richtig“ die Wahrscheinlichkeit

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Übungen

1. In einer Urne liegen 26 kleine Kugeln, auf denen je ein Buchstabe des Alphabets aufgedruckt ist. Man zieht nacheinander 3 Kugeln ohne Zurücklegen und bildet auf diese Weise ein „Wort“ aus 3 Buchstaben. Mit welcher Wahrscheinlichkeit enthält das Wort 3 Vokale, z.B. aui oder eao?

2. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, beim Werfen von 5 Würfeln genau zweimal eine 6 zu erzielen?



Mit dem folgenden JavaScript-Programm können Sie Ihre Erwartung mit einer Simulation überprüfen. Geben Sie die gewünschte Anzahl n an Würfen ein (n <= 1 000 000) und klicken Sie auf "Rechnen". Es werden dann die relativen Häufigkeiten für das Werfen von 0, 1, 2, 3, 4, 5 Sechsen berechnet und angezeigt. (Bei großen Wurfzahlen oder bei langsamen Rechnern kann dieser Vorgang etwas dauern...)

Anzahl Würfe: 
 
 i  hn({i})
0
1
2
3
4
5
  


3. Ein Skatspiel enthält 32 Karten, darunter 4 Buben. 30 Karten werden an die drei Spieler ausgeteilt, die beiden restlichen Karten bleiben verdeckt im „Skat“ auf dem Tisch liegen. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass im Skat 2 Buben liegen?

4. Eine Urne enthält 3 rote und 4 schwarze Kugeln. Man zieht nacheinander 3 Kugeln heraus, ohne die jeweils gezogene Kugel zurückzulegen. Mit welcher Wahrscheinlichkeit sind unter den gezogenen 3 Kugeln genau 2 schwarze Kugeln?
(Hinweis: Durch das „nacheinander ziehen“ scheint eine Anordnung gegeben zu sein: 1. Kugel, 2. Kugel, 3. Kugel. Es wird aber nach dem Endergebnis „2 schwarze Kugeln, 1 rote Kugel“ gefragt ohne irgendeine Reihenfolge oder Anordnung. Die Reihenfolge des Ziehens ist also nicht zu berücksichtigen.)


Das folgende JavaScript-Programm führt eine Simulation dieses Zufallsexperiments aus. Geben Sie die gewünschte Anzahl n an Würfen ein (n <= 1 000 000) und klicken Sie auf "Rechnen". Es werden dann die relativen Häufigkeiten für das Ziehen von 0, 1, 2, 3 schwarzen Kugeln berechnet und angezeigt. (Bei großen Wurfzahlen oder bei langsamen Rechnern kann dieser Vorgang etwas dauern...)

Anzahl Würfe: 
 
 i  hn({i})
0
1
2
3
  


5. Es werden folgende Laplace- Experimente betrachtet:
1) Wurf mit zwei unterscheidbaren Laplace-Würfeln,
2) Wurf mit zwei nicht unterscheidbaren Laplace-Würfeln.
a) Geben Sie in beiden Fällen geeignete Ergebnisräume an.
b) Berechnen Sie in beiden Fällen die Wahrscheinlichkeit, mindestens eine 6 zu erhalten.

6. Ein Laplace-Würfel wird dreimal geworfen. Bestimmen Sie die Wahrscheinlichkeiten folgender Ereignisse:
A1: „Augenzahl 6 nur beim 1. Wurf“,
A2: „Augenzahl 6 bei genau einem Wurf“,
A3: „Augenzahl 6 nur beim 1. und beim 3. Wurf“,
A4: „Augenzahl 6 bei genau 2 Würfen“,
A5: „Augenzahl 6 bei mindestens einem Wurf“,
A6: „Augenzahl 6 bei mindestens zwei Würfen“.

7. Eine Gruppe von 4 Mädchen und 4 Jungen wird zufällig in zwei gleichstarke Gruppen aufgeteilt. Berechnen Sie die Wahrscheinlichkeit für das Ereignis A: „Jede Gruppe enthält gleich viele Jungen und Mädchen.“

8. Von 5 Personen merke sich jede eine der Ziffern 0, 1, 2, ..., 9. Wie groß ist die Laplace-Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich mindestens zwei Leute dieselbe Ziffer merken?

9. Bei dem von 1982 – 1986 angebotenen Mittwochslotto „7 aus 38“ ging es ähnlich wie beim Lotto „6 aus 49“ um die Vorhersage von 7 Zahlen, die aus 38 ausgewählt werden. Wie groß war die Wahrscheinlichkeit i Treffer (i = 0, 1, 2, ..., 7) zu erzielen?