Stochastik

1. Grundbegriffe

1.1 Zufallsexperiment, Ergebnis und Ergebnisraum

Zufallsexperimente:

Es gibt im täglichen Leben Vorkommnisse („Experimente“), die bei Wiederholung zu verschiedenen Ausgängen führen können obwohl die Bedingungen des Experiments unverändert bleiben. Keiner dieser Ausgänge ist bei der Ausführung des Experiments begünstigt. Solche Experimente heißen Zufallsexperimente. Beispiele:

Werfen eines Würfels,
Werfen einer Münze,
Drehen eines Glücksrads,
Ziehen von Kugeln aus einer Urne,
Roulettespiel,
Ziehen einer Karte aus einem Kartenspiel,
Lotto,
Auswahl einer Zahl durch einen Zufallsgenerator.

Ergebnis: Jeder mögliche Versuchsausgang eines Zufallsexperiments heißt Ergebnisdes Zufallsexperiments.

Beim Werfen einer Münze sind die Ergebnisse Wappen (W) und Zahl (Z): .

mehrstufiges Zufallsexperiment: Zufallsexperiment aus mehreren Versuchen, deren Einzelergebnisse jeweils ein Ergebnis des Zufallsexperiments bilden.

Beim zweimaligen Werfen einer Münze sind die Ergebnisse geordnete Paare: (WW), (ZW), (WZ), (ZZ).

Baumdiagramm: graphische Darstellung eines mehrstufigen Zufallsexperiment entsprechend den Stufen des Experiments.

Für das zweimalige Werfen einer Münze sind zwei Stufen darzustellen und die Teilergebnisse einzutragen:

Jeder Pfad im Baumdiagramm beschreibt ein Ergebnis des Zufallsexperiments.

Ergebnisraum: Die Mengealler Ergebnisseheißt Ergebnisraum des Zufallsexperiments, wenn jedem Versuchsausgang genau ein Elementzugeordnet ist.

Beim zweimaligen Werfen einer Münze ist der Ergebnisraum.

Mächtigkeit des Ergebnisraums:= Anzahl der Elemente von.

Für das zweimalige Werfen einer Münze ist.

Vergröberung des Ergebnisraums: Dem Zufallsexperiment wird ein anderer Ergebnisraummitzugewiesen.

Wird beim zweimaligen Münzwurf die Reihenfolge, in der die Symbole erscheinen, nicht berücksichtigt, dann ist der Ergebnisraumund.

Verfeinerung des Ergebnisraums: Dem Zufallsexperiment wird ein anderer Ergebnisraummitzugewiesen.

Weitere Beispiele

1. Würfeln
 
Zufallsexperiment Ergebnisraum Vergröberung von
a) Werfen eines Würfels

b) zweimaliges Werfen eines Würfels

ohne Berücksichtigung der Reihenfolge der Einzelwürfe:

c) gleichzeitiges Werfen zweier Würfel

Das gleichzeitige Werfen zweier Würfel entspricht also dem zweimaligen Werfen eines Würfels ohne Berücksichtigung der Reihenfolge der Einzelwürfe.

 

2. Eine Urne enthält eine rote, eine blaue und eine grüne Kugel.
 
Zufallsexperiment Ergebnisraum Vergröberung von
a) Ziehen einer Kugel

b) zweimaliges Ziehen einer Kugel ohne Zurücklegen

ohne Berücksichtigung der Reihenfolge der Einzelziehungen:

c) zweimaliges Ziehen einer Kugel mit Zurücklegen

ohne Berücksichtigung der Reihenfolge der Einzelziehungen:

d) Ziehen von zwei Kugeln mit einem Griff

Das gleichzeitige Ziehen zweier Kugeln entspricht also dem zweimaligen Ziehen einer Kugel ohne Zurücklegen und ohne Berücksichtigung der Reihenfolge der Einzelziehungen.

 

3. Eine Urne enthält zwei rote, eine schwarze und drei weiße Kugeln. Die gleichfarbigen Kugeln sind jeweils durch eine Nummerierung unterscheidbar: r1, r2, s, w1, w2, w3.

a) Es werden zwei Kugeln nacheinander ohne Zurücklegen gezogen.

Jede der 6 Kugeln kann als erste gezogen werden. Danach gibt es noch jeweils 5 Möglichkeiten, die zweite Kugel zu ziehen. Daher ist

.

b) Es werden zwei Kugeln nacheinander ohne Zurücklegen gezogen und die Reihenfolge der Einzelziehungen wird nicht berücksichtigt.

Abzählen ergibt

.

c) Es werden zwei Kugeln nacheinander mit Zurücklegen gezogen.

Im Vergleich zum Fall a) (Ziehen ohne Zurücklegen) kommen hier 6 Ergebnisse hinzu, da jede Kugel nun zweimal gezogen werden kann. Also ist.

d) Es werden zwei Kugeln nacheinander mit Zurücklegen gezogen und die Reihenfolge der Einzelziehungen wird nicht berücksichtigt.

Im Vergleich zum Fall b) (Ziehen ohne Zurücklegen) kommen auch hier 6 Ergebnisse hinzu, also:

.

e) Es werden zwei Kugeln mit einem Griff gezogen.

Hier kann keine Kugel zweimal gezogen werden und eine Reihenfolge ist auch nicht gegeben. Das Ziehen von zwei Kugeln mit einem Griff entspricht also dem zweimaligen Ziehen ohne Zurücklegen und ohne Berücksichtigung der Reihenfolge.

4. Beim Lotto werden 6 von 49 nummerierten Kugeln gezogen. Ein Ergebnis ist hier eine Menge von 6 Zahlen, auf deren Reihenfolge es nicht ankommt. (Wenn die Zahlen dennoch aufsteigend geordnet angegeben werden, dient dies nur dem Zweck der übersichtlicheren Darstellung und besseren Vergleichbarkeit.) Die Bestimmung der Mächtigkeit des Ergebnisraums ist nicht so einfach wie bei den vorigen Beispielen - dies erfolgt später im Abschnitt "Kombinatorik", in dem systematische Verfahren zum Abzählen von Mengen entwickelt werden. Hier können Sie sich aber schon einmal mit einem kleinen JavaScript-Programm Lotto-Tipps erzeugen lassen. (Falls Sie mit den hier ermittelten Zahlen reich werden sollten, fragen Sie mich doch bitte nach meiner Kontonummer... ;-))  )

Lottozahlen

Übungen

1. Eine Münze und ein Würfel werden gleichzeitig geworfen. Schreiben Sie alle Ergebnisse als Paarkombinationen aus den Symbolen W und Z einerseits und den Zahlen 1, 2, 3, 4, 5, 6 andererseits.

2. Zwei Würfel werden gleichzeitig geworfen und bei jedem Wurf wird die Augensumme gebildet. Geben Sie den Ergebnisraum und seine Mächtigkeit an.

3. Aus einer Urne mit 2 roten, 1 schwarzen und 3 weißen Kugeln werden nacheinander 2 Kugeln ohne Zurücklegen gezogen. Geben Sie einen möglichst feinen Ergebnisraum und seine Mächtigkeit an.

4. Aus einer Urne mit 3 blauen, 3 grünen und 3 weißen Kugeln werden mit einem Griff 3 Kugeln gezogen. Beim gleichzeitigen Greifen gibt es keine Reihenfolge unter den drei gezogenen Kugeln. Geben Sie einen dementsprechenden Ergebnisraum und seine Mächtigkeit an.


5. Eine Urne enthält drei gleichartige Kugeln mit den Nummern 1, 2, 3. Diese drei Kugeln werden nacheinander zufällig herausgegriffen. Geben Sie einen geeigneten Ereignisraum an und bestimmen Sie die Mächtigkeit.

6. Zwei Personen A und B tragen einen Tenniswettkampf aus. Sieger ist, wer als erster zwei Sätze gewonnen hat. Wie lautet ein geeigneter Ergebnisraum?

7. Bei einer Auswahl von Familien mit drei Kindern werden im Auftrag eines Instituts für Verhaltensforschung die Kinder nach dem Geschlecht in der Reihenfolge des Alters registriert. Konstruieren Sie einen geeigneten Ergebnisraum.

8. Eine Urne enthält drei weiße und zwei schwarze Kugeln. Es werden drei Kugeln zufällig herausgegriffen, und zwar
a) gleichzeitig,
b) nacheinander, ohne die die einzelnen Kugeln zurückzulegen,
c) nacheinander, jedoch nach Zurücklegen der jeweils gezogenen Kugel.
Konstruieren Sie passende Ergebnisräume.

9. Ein Würfel wird so lange geworfen, bis zum ersten Mal 6 erscheint, aber höchstens 3mal. Geben Sie einen geeigneten Ergebnisraum an.