1. In einer Betriebskantine werden mittags zwei Arten von Gerichten angeboten: A: fleischhaltig, B: rein vegetarisch. Die Gäste der Kantine zeigen folgendes Verhalten: Von den Gästen, die das Gericht der Art A gewählt haben, wählen beim nächsten Ma(h)l zwei Drittel wieder das Gericht der Art A, während ein Drittel zum Gericht der Art B wechselt. Gäste, die B gewählt haben, wechseln beim nächsten Mal zur Hälfte zu A, während die andere Hälfte wieder B wählt. Im Folgenden wird vorausgesetzt, dass sich von einem Tag zum nächsten die Anzahl der Gäste nicht verändert.
Übergangsdiagramm:
Die Anzahl der Wahlen von A am ersten Tag wird mit x1 bezeichnet, die Anzahl am zweiten Tag mit y1. Entsprechend werden die Anzahlen der Wahlen von B mit x2 bzw. y2 bezeichnet. Der Übergang von einem Tag zum nächsten wird dann durch folgende Gleichung beschrieben:
Nach Voraussetzung ändert sich die Anzahl der Gäste nicht, und es liegt nur eine Neuverteilung einer Gesamtzahl von Gästen auf die Wahlmöglichkeiten A und B vor. Somit ist die Summe aller Eingangswerte gleich der Summe aller Ausgangswerte: . Im Beispiel sei die Anzahl von Gästen 900. Für die Anfangsverteilung ergibt sich am folgenden Tag die Verteilung:
Die Matrix A, die den Austauschprozess beschreibt, besitzt die Eigenschaft, dass die Summe der Elemente einer Spalte 1 ergibt. Ein solcher Prozess wird Austauschprozess genannt. Allgemein:
Definition: Ein Prozess, der durch eine quadratische Matrix mit nicht-negativen Elementen beschrieben wird, bei der in allen Spalten die Summe der Elemente gleich 1 ist, wird ein Austauschprozess genannt. |
Für die Planung des Kantinenbetriebs ist die Frage interessant, ob es eine Verteilung gibt, die sich nicht mehr verändert, für die also gilt:
Als Gleichungssystem geschrieben:
umgeformt:
Die Addition der beiden Gleichungen ergibt eine Nullzeile, d.h. das homogene Gleichungssystem besitzt eine nicht-triviale Lösung. Aus der zweiten Gleichung ergibt sich
Die Lösungsmenge des Gleichungssystems ist somit .
Aus der Bedingung ergibt sich
Es gibt also eine Verteilung, die "stabil" ist, d.h. sich nicht mehr verändert:
Definition: Wenn A die Matrix eines Austauschprozesses ist, dann heißt jeder Vektor eine stationäre Verteilung des Prozesses (oder auch ein Fixvektor von A). |
2. Als zweites Beispiel wird der Prozess aus Aufgabe 1 in
Abschnitt 4.1 betrachtet:
Die Anfangsverteilung auf die drei Zustände Z1, Z2 und Z3 sei . Die Übergangsmatrix des Prozesses ist
Sie enthält nur nicht-negative Elemente. Die Summe der Elemente beträgt
in Spalte 1: 0,4 + 0,4 + 0,2 = 1
in Spalte 2: 0,2 + 0,6 + 0,2 = 1
in Spalte 3: 0,3 + 0,1 + 0,6 = 1
Der Prozess ist also ein Austauschprozess.
Für stationäre Verteilungen des Prozesses gilt
Dies führt auf folgendes homogenes lineares Gleichungssystem:
Die beiden Gleichungen II' und III' sind identisch. Das Gleichungssystem besitzt daher eine nicht-triviale Lösung. Aus Gl. II' ergibt sich:
Einsetzen in Gl. I' und umstellen nach x1 führt auf
Die Lösungsmenge des Gleichungssystems ist somit .
Aus der Bedingung folgt
Die gesuchte stationäre Verteilung des Prozesses lautet damit